In das wertvolle Gras beißen

Frau Ungar hielt bereits einen sehr interessanten Vortrag auf der Mitgliederversammlung der IGEM im März 2010 in Kassel.

Grünland hat eine zentrale Bedeutung in der Equidenfütterung. Gras und dessen Konserven sind bei gutem Management hochwertiges, equidengerechtes, gesundes und kostengünstiges Futter. Die Einladung am 20.03.2010 einen Vortrag zum Thema „Weidemanagement für Esel“ in Kassel zu halten war für mich eine interessante Aufgabe, da in der deutschsprachigen Literatur nur spärlich über die besonderen Anforderungen von Eseln an Weiden auf Standorten in unserem Land berichtet wird.
Da die Zeit sehr begrenzt war, die Haltungsformen der Esel sehr unterschiedlich sind und ich ohne Kenntnis des Standortes keine „Patentrezepte“ geben  möchte, entschied ich mich, den Besuchern Grundlagen und Maßnahmen mitzuteilen, um einen Grünlandbestand einordnen und vielleicht in die gewünschte Richtung verändern zu können.

Vor Beginn des Vortrages wurde der Wunsch geäußert, den Unterschied zwischen Wiese und Weide zu erklären. Ich konnte der Dame sagen, dass genau dies meine erste Folie sei, da ich  immer schmunzeln muss, wenn gesagt wird: Ich lasse mein Pferd auf meiner Wiese  weiden … oder letztlich sogar auf der Internetseite von Veterinären die Begriffe falsch verwendet wurden.

Wiese:

Nicht oder nur ausnahmsweise beweidetes Dauergrünland.

Ein- bis mehrmalige Schnittnutzung. Hoher Nährstoffentzug, da das Erntegut die Fläche verlässt. Meist mehr Obergräser.

Weide:

Dauergrünland unter Beweidung bzw. im Wechsel mit Schnittnutzung (= Mähweide). Nährstoffzufuhr über Kot, Harn, Pflanzenreste. Ziel: Bewegungsraum UND gesundes Futter. Je nach Weideform mehr Unter- oder Obergräser.

Mähweide:

Dauergrünland mit abwechselnder Schnittnutzung und Beweidung. Meist wird der erste Aufwuchs durch Schnitt abgeschöpft und dann beweidet.

Ackerfutter:

Ein- bis mehrjährige Ansaaten. Für Pferde fast nur gemäht. Nur als Zusatzfutter. Oft hoher Anteil an Leguminosen oder Weidelgräsern.

Der Aufwuchs einer Grünlandfläche kann sich aus verschiedenen Anteilen von Süß- und Sauergräsern, Ober- und Untergräsern, Kräutern und Leguminosen zusammensetzen. Leguminosen (Fabaceae) sind Kleeartige. Sie leben in Symbiose mit Knöllchenbakterien (Rhizobien). Diese sind in der Lage Stickstoff zu fixieren und so zur Nährstoffversorgung im Boden beizutragen. Dies wird besonders im Ökolandbau genutzt um das Stickstoffangebot für die Pflanzen zu erhöhen.

Die Qualität des Pflanzenbestandes kann erfasst werden durch:

1. Feldmethoden: Hier erfolgt eine Klassifikation nach Wertzahlen (WZ), die von  -1 = giftig und gesundheitsschädlich, bis 8 = höchster Wert eingeteilt werden. Diese wurden aufgrund der Futterqualität (Basis Rind), der Ertragsleistung, der Ausdauer und der ökologischen Amplitude erstellt. Eine weitere Möglichkeit der Bewertung sind Gütezahlen (-∞ bis 90), die die Futterqualität je nach  Entwicklungsstadium, Massenanteil und Verwendungszweck beschreiben.

Die Ertragsanteile der einzelnen Arten können durch  verschiedene Schätzverfahren ermittelt werden. Die Ertragsanteile werden z.B. mit den Wertzahlen multipliziert und dann durch 100 geteilt, um so einen Anhaltspunkt für die Güte eines Aufwuchses zu erhalten. Hierfür ist allerdings etwas an Übung bzw. Erfahrung erforderlich.

2. Labormethoden: Sie dienen der quantitativen Erfassung der Energiekonzentration bzw. der Verdaulichkeit (tierartabhängig). Weiterhin der Analyse des  Rohproteingehaltes, des Rohfasergehaltes bzw. der Struktur- und Mineralstoffe oder der  Relationen von Antagonisten. Wichtig ist hierbei, eine möglichst repräsentative Probe des Aufwuchses zusammenzustellen.

Die Reaktionszahl (RZ) beschreibt die am Standort i.d.R. herrschenden Reaktionsverhälnisse. Sie reicht von RZ 1 = stark sauer bis RZ 5 = Kalkböden. Die einzelnen Pflanzenarten bevorzugen oft bestimmte Reaktionsverhältnisse.
Es wurde gewünscht, in der Eselpost noch einmal näher auf die Gräser und die Zeigerpflanzen einzugehen. Einige Pflanzen mit wichtigen Eigenschaften oder häufigem Vorkommen werden daher kurz erläutert. Eine ausführliche Betrachtung jeder Pflanze bzw. ihre ausführliche botanische Beschreibung würde den Umfang eines Zeitschriftenartikels überschreiten.

Zeigerpflanzen:

Trittfliehende Pflanzen, z. B.

Glatthafer Sumpfrispe Glockenblume Rotklee
Wiesensalbei Stichelluzerne Kohldistel Pastinak
Wiesenbocksbart Wiesensilge
 

Der Glatthafer (WZ 7) ist ein ausdauerndes, starke Horste bildendes Obergras. Die Blattanlage ist gerollt. Typisch ist der aufrechte Wuchs, am Grunde oft etwas geknickt. Er wird bis 150 cm hoch und bildet als Blütenstände allseits wendige Doppeltrauben oder Rispen mit unterschiedlicher Zahl von Seitenästen aus. Der Glatthafer bevorzugt extensive Bewirtschaftung und findet sich oft  in Straßengräben oder auf ein- bis zweischürigen Wiesen. Jung und grün wird er von Pferden und Rindern oft nicht gern gefressen. Im Heu liefert er eine wertvolle Futterpflanze. Beweidung verträgt er u.a. durch die hohen Halme nur spärlich, am ehesten in Form einer kurzzeitigen Portionsweide. Sonst stellt Glatthafer keine hohen Anforderungen und ist auch auf trockenen und mageren Standorten verbreitet. Für Nährstoffe bedankt er sich mit einer günstigeren Entwicklung. Der Glatthafer findet sich in allen gemäßigten Klimazonen des Flach- und Hügellandes, meidet aber raues Klima. In der intensiven Landwirtschaft ist die Zahl der  Glatthaferwiesen leider sehr zurückgegangen.

Der Wiesensalbei Salvia pratensis  (WZ 2, RZ 5) findet sich meist in Magerrasen, Wegrainen, trockenen Wiesen und bevorzugt auf lockeren Böden. Er erreicht eine Höhe bis ca. 60 cm. Die Blütezeit ist von Ende Mai bis Anfang August, in welcher die Pflanze blau, seltener auch weiß oder rosa blüht. Der Stängel ist vierkantig. Seine Blätter sind eiförmig, am Rand sehr ungleichmäßig gekerbt, runzelig und drüsig-klebrig und weniger behaart als die des Arzneisalbeis (S. officinalis). Der Wiesensalbei ist eine wertvolle Futterpflanze für Insekten. Er dient auch als Zeigerpflanze für trockene Standorte und für eine alkalische Bodenreaktion.

Der Wiesenbocksbart (WZ 4, RZ4) ist eine ausdauernde, kahle oder leicht behaarte, 30 bis 60 cm hohe Pflanze. Der milchsafthaltige Stängel ist aufrecht, gefurcht und einfach oder leicht verzweigt. Seine Zungenblüten sind leuchtend gelb und in 3 bis 6 cm breiten Köpfchen angeordnet. Er sollte nicht mit den giftigen Kreuzkräutern verwechselt werden. Typisch ist seine Frucht, eine geschnäbelte Archäne mit gelblich, weißen Pappushaaren. Die 5 bis 20 cm langen stängelumfassenden Blätter sind linealisch lanzettlich geformt, lang zugespitzt und am Ende zurückgebogen. Das Jakobskreuzkraut hat dagegen leierförmige oder fiederteilige Blätter. Leichter könnte er mit dem schmalblättrigen Kreuzkraut oder dem Fuchskreuzkraut verwechselt werden, zeigt aber einige Unterscheidungsmerkmale. Der Wiesenbocksbart bevorzugt Fettwiesen, extensive Weiden, Wege und nährstoffreiche Böden bis 2000 m Höhe.

Zeigerpflanzen einer Unterbeweidung:

Stumpfblättriger Ampfer Krauser Ampfer
Quecke
Rohrschwingel Rotschwingel Brennnessel
Ackerdistel Gewöhnliche Distel Goldhafer
Rasenschmiele Sumpfdistel  

Der Stumpfblättrige Ampfer (WZ1, RZ 3) und der Krause Ampfer (WZ1,RZ4) sind Grünlandunkräuter deren Verbreitung möglichst schon in den Anfängen unterbunden werden muss, da sie zu regelrechten Platzräubern werden können, was zu erheblichen Verlusten an Weidefläche führen kann. Ampfer sollten Sie nie zum Aussamen kommen lassen, da  dessen Samen 50–70 Jahre keimfähig bleiben kann. Er wird vom Vieh gemieden. Der Stumpfblättrige Ampfer hat fast ganzrandige oder nur am Rand wellig geschweifte Blätter, die meist glatt sind. Die  Blätter des Krausen  Ampfer sind mit stark gekräuseltem, meist auch unregelmäßig kleingekerbtem Rand. Es gibt verschiedene Strategien zur Ampferbekämpfung, gerne berate ich Sie hierzu.

Die Blattanlage des Goldhafers (WZ 6) ist gerollt. Der Halm ist aufrecht oder am Grund geknickt. Er wird mit 50–80 cm Höhe (standortabhängig) nicht so hoch wie der Glatthafer, ist zierlicher und ebenfalls begrannt. Seine markante bis 15 cm lange Rispe ist zur Blüte weit geöffnet, davor und danach eher zusammengezogen und von grünlicher bis goldgelber Farbe. Er ist ein ausdauerndes, horstbildendes Obergras mit einer raschen Entwicklung im Frühjahr, treibt aber bis September wieder neu aus. Über 500 m Höhenlage tritt  er zunehmend an die Stelle des Glatthafers und ist auch weidefester als dieser. Er bevorzugt nährstoffreiche Standorte in Mittelgebirgs- und Höhenlagen, auf denen er mittlere Erträge mit gutem Futterwert liefert.  Allerdings sollten die Ertragsanteile des Goldhafers nicht zu hoch liegen, da dann die Gefahr einer Calcinose besteht.

Die Quecke (WZ 5) hat eine gerollte Blattanlage und wird mit knickig aufsteigendem Halm bis 100 cm hoch. Sie ist ein ausdauerndes Gras mit starken Ausläufern. Dadurch kann sie sich zum Schadgras entwickeln. Sie wird im Heu und besonders in jungem Zustand vom Vieh zwar gefressen, die Erträge sind aber unbefriedigend und mit zunehmenden Alter wird sie verschmäht, wodurch sie sich besonders in lückigen Beständen durch unterirdisch verzweigte Ausläufer rasch vermehren kann. Zudem fördern Trockenheit und hohe Nährstoffversorgung die Vermehrung. Für den Laien mag die Quecke dem Weidelgras ähnlich sehen. Das einfachste Unterscheidungsmerkmal in der Blüte ist die Anordnung der Ährchen an der Ährchenspindel. Bei der Quecke liegen die Ährchen mit der Breitseite an der Spindel und beim Weidelgras mit der Schmalseite. 

Zeigerpflanzen Überbeweidung:

dt. Weidelgras
Weißklee Flechtstraußgras
Jährige Rispe
Breitwegerich Strahllose Kamille
Vogelknöterich Weißes Straußgras Gänseblümchen
Gänsefingerkraut    

Das Blatt des Breitwegerich ist elliptisch bis breitoval und die Grundrosette liegt eng am Boden an. Die 3-7 Längsnerven treten beim Zerreißen des Blattes fadenartig heraus. Mit der Wertzahl 2 ist er gut weggekommen, da Pferde den Breitwegerich besonders bei zunehmender Ausbreitung auf der Fläche verschmähen. Begünstigt wird die Ausbreitung durch Lücken und hohe Trittbelastung in überbeweideten und vernachlässigten Flächen.  Er bevorzugt basenreiche Standorte. Dagegen ist bei nicht zu massenhaftem Auftreten der Spitzwegerich besser zu bewerten (WZ 6), welcher auch in der Heilkunde eine Rolle spielt.

Das Deutsche Weidelgras oder Englische Raygras zählt zu den wertvollsten
Futter- und Begrünungsgräsern der gemäßigten Zonen. Es bevorzugt frische Standorte und meidet aufgrund seiner Kälteempfindlichkeit raue, zu nasse oder trockene Lagen. Das Gras bildet Horste, die durch zahlreiche kurze Ausläufer zu dichtesten Narben werden können. Es ist äußerst regenerationsfähig und reagiert auf den Tritt und Biss der Tiere mit vermehrt vegetativem Wachstum. Diese Eigenschaft verleiht dem Deutschen Weidelgras enorme Kampfkraft gegenüber den anderen Gräsern auf einer Weidefläche (auch auf Sportplätzen), womit es bei geeigneten Standortbedingungen stark verdrängend auf diese wirkt. Auch in Nachsaaten kommt diese Eigenschaft zum Tragen, denn es kann sich meist gut gegen die vorhandenen Bestandsbildner durchsetzen. Das Gras liefert hohe Erträge und schmackhaftes Futter mit hoher Verdaulichkeit und geringem Rohfasergehalt. Hinsichtlich der Energiekonzentration, des Gehaltes an verdaulichem Rohprotein, an Mineralstoffen und Spurenelementen gehört es zu den Gräsern mit den höchsten Leistungen, was dem Gras die Wertzahl 8 zuteil werden ließ. Auf intensiv genutztem Grünland erreicht es zunehmend bis zu 90 % Ertragsanteil, was den Artenreichtum eines Grünlandaufwuchses abnehmen lässt. Der Einsatz für Eselweiden ist aufgrund dieser Eigenschaften sicherlich kritisch zu betrachten und in Abhängigkeit der vorhandenen Fläche, der Nutzung und der gewählten Sorte zu sehen. Das Deutsche Weidelgras erfuhr eine intensive züchterische Bearbeitung. So sind in Bezug auf den Zeitpunkt des Erscheinens der Blüte zahlreiche frühe, mittlere und späte Sorten am Markt. Futter- und Rasentypen sowie diploide und tetraploide Sorten. Tetraploide Sorten bringen zwar mehr Grünmasseertrag, haben aber meist höhere Gehalte an leicht löslichen Kohlehydraten und sollten deshalb auf der Eselweide nicht eingesetzt werden, um das Risiko von Hufrehe, Acidose  bzw. Koliken zu reduzieren. Das Weidelgras neigt aber auch zu Befall mit Fusarien und anderen Pilzen und sollte möglichst kurz, aber nicht gestresst in den Winter gehen. Die Blattanlage ist gefaltet und die Ährchen sitzen im Gegensatz zur Quecke mit der Schmalseite an der Spindel. Typisch ist auch der rot gefärbte Halmgrund mit starker Bestockung. Als Untergras erreicht es eine Höhe von 30-60 cm.

Soweit nur kurz zu den Zeigerpflanzen für Über- und Unterbeweidung. Es gibt noch weitere Zeigerpflanzen z. B. für trockene oder nasse Standorte, für die Bodenreaktion oder für das Angebot an Nährstoffen.

Giftpflanzen oder auch Pflanzen mit Gift könnten alleine einen Vortrag oder Artikel füllen. An dieser Stelle soll nur kurz das Jakobskreuzkraut in nicht blühendem Zustand erwähnt werden. Dies ist mir wichtig, da es im Rosettenstadium oft mitgefressen wird und dies besonders im Frühjahr, wenn das erste Grün begierig verzehrt wird. Durch die am Boden anliegende Blattrosette wird es im rasch aufwachsenden Gras leicht übersehen. Fühlen Sie sich im Erkennen des Jakobskreuzkrautes oder anderer Gift- bzw. minderwertigen Pflanzen unsicher, bietet SCIVIAS auch eine Begehung ihrer Grünflächen, Exkursionen oder Informationsvorträge an.

Im Vortrag wurde noch auf andere Gesichtspunkte eines Pflanzenbestandes, auf die Standortfaktoren, Weideformen, Pflegemaßnahmen und weitere Aspekte für ein gutes  Weidemanagement eingegangen. Auf Pferde- und Eselweiden muss oft ein Kompromiss zwischen einer belastbaren, untergrasbetonten Narbe und einem equidengerechten,  obergrasbetonten Futteraufwuchs unter Berücksichtigung des Standortes gefunden werden. Problemkreise ergeben sich auch aus einerseits zu kleinräumigen Weiden, die überbeweidet, lückig oder vermatscht sind oder andererseits zu großflächigen Weiden mit einem hohen Anteil an Geilstellen (= Verlust an Futter und guter Weidefläche) und überständigem Futter. Erfahren solche Flächen eine ungenügende Beobachtung bzw. fehlen geeignete Maßnahmen, verschiebt sich die Zusammensetzung des Pflanzenbestandes vermehrt in den unerwünschten, minderwertigen bis schädlichen Bereich.


SCIVIAS Agrarberatung und -bildung. Neutrale und unabhängige Beratung. Tätigkeitsfelder und Seminarthemen finden Sie unter: www.Agrarberatung-Ungar.de
SCIVIAS = Wisse die Wege. Fokus der Beratung. Nach dem Hauptwerk der Hildegard von Bingen „SCIVIAS Liber Domini“ Wisse die Wege des Herrn.


Birgit Ungar, Dipl.-Ing.agr. ist mit Pferden aufgewachsen und studierte Agrarwissenschaften, Fachrichtung Nutztierwissenschaften sowie  Lehramt an Berufsbildenden Schulen an der Justus-Liebig Universität in Gießen. Die Diplomarbeit erfolgte am Institut für  Grünlandlehre und Futterbau.